Gefallen wollen oder echt sein? Was unser Selbstwert mit Führung zu tun hat

Ob Konflikt, Stress oder Überforderung – oft steckt unter der Oberfläche ein altbekannter innerer Antreiber:
Ich will gefallen. Ich will gemocht werden. Ich will, dass alle mich gut finden.

Ganz gleich, ob wir ein kritisches Gespräch aufschieben, ständig für alle verfügbar sind oder uns selbst unter Druck setzen, um Erwartungen zu erfüllen – dahinter liegt ein zutiefst menschliches Bedürfnis: Zugehörigkeit.

Der Wunsch dazuzugehören ist nichts, wofür wir uns schämen müssten – im Gegenteil: Er ist biologisch verankert.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen gesehen werden, gemocht, geschätzt, anerkannt.
Gerade in Führungsrollen zeigt sich das besonders stark – auch wenn es selten offen ausgesprochen wird.

Denn wer führt, steht unter Beobachtung. Und wer unter Beobachtung steht, will oft vor allem eins: gefallen.

Und jetzt mal ehrlich:

„Mir ist völlig egal, was andere denken.“
Wirklich?

Warum beschäftigt dich dann eine kritische Rückmeldung tagelang – während du ein „Gut gemacht!“ nach zwei Minuten vergessen hast?

Tatsächlich ist das neurobiologisch erklärbar: Negative Rückmeldungen lösen in unserem Gehirn bis zu dreimal stärkere Reaktionen aus als positive.
Das war früher überlebenswichtig. Heute führt es dazu, dass eine Ablehnung schwerer wiegt als 99 Zustimmungen.

Kein Wunder also, dass viele Führungskräfte versuchen, es allen recht zu machen: dem Team, der Geschäftsführung, den Kund:innen.
Dabei wollen sie zugleich kompetent, freundlich, empathisch und durchsetzungsstark wirken.
Am besten alles gleichzeitig – und ohne anzuecken.

Und genau da entsteht Spannung.
Denn wer allen gefallen will, verliert sich leicht selbst.
Man passt sich an, schluckt Kritik runter, sagt Ja, obwohl man Nein meint – und irgendwann glaubt man selbst, das echte Ich sei nicht genug.

Zwischen Sehnsucht und Selbstzweifel

In meiner Arbeit mit Führungskräften begegnet mir dieses Thema regelmäßig – oft subtil, manchmal deutlich:

„Ich bin für mein Team immer da – aber innerlich spüre ich Erschöpfung.“
„Ich weiß, dass ich fachlich stark bin. Aber Kritik trifft mich trotzdem viel zu sehr.“

Diese Aussagen zeigen: Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist da.
Doch wenn es nicht mit einem stabilen Selbstwert verbunden ist, entsteht Überanpassung – bis hin zur Selbstverleugnung.

Von „Ich will gefallen“ zu „Ich bin verbunden“

Der erste Schritt: Anerkennen, dass der Wunsch zu gefallen normal ist.
Der zweite: Unterscheiden lernen, ob ich gerade wirklich in Verbindung bin – oder mich nur anpasse.

Selbstführung beginnt mit einem inneren Ja zu sich selbst.
Nicht zur perfekten Version, sondern zu mir als Mensch – mit Klarheit, Haltung und Wirkung.

Denn gute Führung bedeutet nicht, allen zu gefallen.
Sondern: echt sein, klar sein, nahbar bleiben. Auch wenn’s mal unbequem wird.

Fazit:

Zugehörigkeit entsteht nicht durch Anpassung, sondern durch Echtheit.
Vertrauen entsteht nicht durch Perfektion, sondern durch Präsenz.

Im Alltag. In der Führung. In der Beziehung zu mir selbst.
Wenn ich mir selbst den Platz gebe, den ich mir von anderen wünsche, entsteht innere Sicherheit.

Und aus dieser Sicherheit heraus wird Führung nicht nur wirksamer, sondern auch menschlicher.